Selbständigkeit des Hundes fördern

Für die Suche nach Vermissten brauchen wir Hunde, die selbständig mit uns zusammen suchen. Gerade diese Selbständigkeit ist es, die den Einsatz von Suchhunden zum entscheidenden Zeitfaktor machen. Nun sind leider nicht alle Hunde so selbständig, wie es für die Suche notwendig wäre. Zu oft und zu intensiv wirken die Hundeführer auf ihre Hunde ein, da die Hundeführer immer noch der Meinung sind für ihren Hund denken zu müssen.

Zwar ist eine Zusammenarbeit des Hundeführers mit seinem Hund für den erfolgreichen Einsatz dringend notwendig, jedoch nicht in der gewohnten Art, in welcher der Hundeführer einen überaus bestimmenden Part des Teams übernimmt. Zusammenarbeit bereits in der Ausbildung ist gefragt. Hund und Hundeführer sollten getrennt in ihrer Selbständigkeit gefördert werden, so daß zwei Partner daraus werden, die beide für sich selbständig arbeiten können.

Der normale Weg der Hundeausbildung sieht dies jedoch nicht zwingend vor. Meist wird nicht darauf hin gearbeitet, daß der Hund dazu animiert oder gefördert wird, in für ihn ungewohnte Situationen selber zu entscheiden wie er diese bewältigt. Zeitdruck und ungenügend ausgebildete Hundeführer sind meist die Ursache dafür. Es läßt zwar auch so dem Hund beibringen das zu machen was wir wollen, auch wenn er keine Zeit hat sich damit auseinander zu setzen, aber ob solche Hunde in Einsatzsituationen wirklich selbständig arbeiten können, bleibt dahin gestellt.

Ich denke wir sollten uns die Zeit und die Geduld nehmen unseren Hund bessere Möglichkeiten zum Lernen zu geben, als es schnell und unüberdacht erreichen zu wollen.


Wie dies z.B. im Bereich Geräteausbildung geschehen kann, wurde bereits im Kapitel "Geräteausbildung" angerissen.

Wie intensiv der Hundeführer die Selbständigkeit seines Hundes fördert, muß jeder selber entscheiden. Der schnelle Weg ein Übungsziel zu erreichen ist oftmals der längere. Kreativität, Phantasie und Einfühlungs- vermögen des Hundeführers sind dabei gefragt. Auf alle vorkommenden Ängste beim Hund jetzt eine Anwort geben zu wollen, wäre verfehlt, da jeder seinen Weg finden muß.

Hier soll es mehr darum gehen, Wege aufzuzeigen, wie der Hundeführer die gewünschte Selbständigkeit im Alltag beim Hund fördern kann. Wir sollten aber nicht dabei vergessen, daß es sich hierbei auch um Ausbildung handelt, auch wenn diese nicht zu den üblichen Übungszeiten und unter Aufsicht stattfindet.

Bereits im Alltag finden sich viele Dinge, die beim Hund Angst oder Unbehagen hervorrufen. Unsere Aufgabe sollte es nun sein, diese Dinge nicht zu meiden, sondern den Hund bewußt mit diesen zu konfrontieren und ihm dabei die Möglichkeit zu geben selber damit fertig zu werden.

Fangen wir mal im Haushalt an. Wieviele Hund reagieren auf

  • Staubsauger
  • Föhn
  • Besen
  • Wasserschlauch etc.

mit Unbehagen und gehen diesen lieber aus dem Weg.

Da nicht auf alle Beispiele jeweils eingegangen werden soll, nehme ich immer eins als Beispiel und versuche den "normalen" Umgang sowie Lösungsvorschläge aufzuzeigen.

Selbstverständlich ist es vollkommen normal wenn der Hund dem Staubsauger ausweicht und sich an ein ruhigeres Plätzchen verkrümmelt. Es sollte jedoch nicht so sein, daß der Hund sich im letzten Winkel der Wohnung verkriecht sobald er Staubsauger heraus geholt wird und der Hund alle Anzeichen von Angst dabei zeigt. Zeigt der Hund diese Angstanzeichen, wäre es sehr sinnvoll hier seine Selbständigkeit zu fördern, auch wenn ein Staubsauger mit der eigentlichen Suchhundeausbildung auf den ersten Blick wenig zu tun hat. Da wir uns im Alltag ähnlich verhalten wie bei der Suchhhundeausbildung, besteht durchaus ein Bezug zwischen diesen beiden Situationen.

Unser normaler Umgang mit dem Hund in solchen Situationen ist der, daß wir entweder versuchen den Hund zu zwingen sich mit dem Staubsauger auseinander zu setzen, ihn versuchen zu beruhigen oder ganz einfach garnicht mehr auf das Verhalten des Hundes reagieren. Keines davon ist geeignet die Selbständigkeit des Hundes zu fördern.

Zwingen wir den Hund, indem wir mit dem Staubsauger auch in die Nähe seiner Rückzugspunkte kommen, bewirkt dies beim Hund logischerweise noch mehr Unsicherheit. Er lernt sogar auf immer kleinere Reize mit Angst zu reagieren. Durch die Erfahrung letzendlich nicht flüchten zu könnnen, wird nun bereits das Hervorholen des Staubsaugers Angst auslösend, während es anfangs noch die direkte Nähe der Staubsaugerdüse an den Pfoten des Hundes war.

Meinen wir den Hund beruhigen zu müssen, verstärkt sich die Angst beim Hund ebenfalls. Unsere Worte werden vom Hund keinesfalls als Beruhigung empfunden sondern als Lob. Er versteht den Sinn unserer Worte nun einmal nicht, sondern nur deren Tonfall. Und dieser ist beim Beruhigen eindeutig lobend. Man muß nur einmal diese angeblich beruhigenden Worte durch Worte ersetzen, die für uns einen lobenden Sinn haben und es ist offensichtlich, daß der Tonfall sich dabei absolut nicht ändert. Welche Auswirkungen dies außerdem beim Hund noch haben kann, darauf wird im Kapitel "Umgang mit anderen Hunden" näher eingegangen.

Reagieren wir garnicht mehr auf die Angst unseres Hundes, haben wir einen Punkt erreicht, wo uns unsere eigene Bequemlichkeit wichtiger ist als unser Hund. Ist es soweit gekommen, sollten wir fairerweise auch die Suchhundeausbildung abbrechen.


Also es hilft nur sich Zeit für den Hund zu nehmen, sich zu überlegen wie man die Angst beim Hund beseitigen kann und den Hund dann zielgerichtet diesen Situationen aussetzen.

Als erstes wird nun nicht mehr der Staubsauger nur dann geholt wenn wir staubsaugen wollen, sondern auch dann wenn wir "nur" üben wollen. Damit allein nehmen wir uns schon einmal Zeit und denken nicht gleichzeitig daran wieviele Zimmer noch sauber zu machen sind. Als nächstes überlegen wir uns wie eine Angst abgebaut werden kann. Theoretisches Verständnis vom Wesen des Hundes ist hierbei selbstverständlich Voraussetzung (näheres siehe Kapitel "Ausbildung Hund, allgemeiner Teil).

Wir müssen also schauen wie stark die Angst des Hundes bereits ausgeprägt ist und welche positiven Mittel zur Verfügung stehen auf die der Hund noch reagiert. Als nächstes aktivieren wir einen anderen Trieb beim Hund, sodaß nun in der Angst auslösenden Situation zwei gleichrangige Triebe miteinander konkurrieren. Für einen dieser Triebe wird sich der Hund entscheiden und zwar immer für den, der stärker ist. Ist das Ausführen der Endhandlung des stärkeren, positiven Triebes mit einer engen räumlichen Nähe zum Angst auslösendem Objekt verbunden, wird nach einigen Übungen beim Hund eine Verhaltensänderung entstehen.

Nehmen wir zum Beispiel einen Fleischbrocken und legen diesen auf den Staubsauger, so muß sich der Hund entscheiden den Staubsauger zu meiden und weiterhin Hunger zu haben oder aber zu fressen und sich dem Staubsauger zu nähern. Nun ist es aber leider nicht ganz so einfach. Meist ist der Staubsauger so stark Angst einflößend, daß der Hund sich nicht in die Nähe des Fleisches traut. Wir müssen also die Situation so konstruieren, daß sie mit dem gewünschten Erfolg für den Hund endet. Das Angst auslösende wird also zu Anfang in der möglichst wenig Angst auslösenden Situation präsentiert. Beim Staubsauger zum Beispiel im ausgeschalteten Zustand. Gleichzeitig wird der Fresstrieb beim Hund stärker motiviert indem der Hund den Tag zuvor nicht zu fressen bekommt. Wie lange zuvor er nichts zu fressen bekommt, richtet sich danach wie stark die Angst beim Hund ausgeprägt ist. Haben wir nun die Konstruktion gefunden, in der der Hund sich traut ans Futter zu gehen, lassen wir den Hund in Ruhe fressen, auch wenn er sich mit dem Futter vom Staubsauger entfernt. Diese Übung wird mehrere Male wiederholt. Dann allerdings lassen wir dem Hund nicht mehr die Möglichkeit sich das Futter schnell zu schnappen und dann wegzulaufen. Nun wird das Futter mit einem geeigneten Faden auf dem Staubsauger festgebunden. Dabei sollte der Staubsauger noch so befestigt sein, daß er sich beim Losreißen des Futters möglichst wenig bewegen kann. Traut sich der Hund aus dies zu, wird der Staubsauger nicht mehr fest gemacht, so daß er sich beim Fressen mit bewegt. Als nächstem Schritt wird nun der Staubsauger wieder angeschaltet und das Futter locker darauf gelegt. Traut sich der Hund, kann die Übungssituation weiter wie zuvor beschrieben ausgebaut werden. Traut er sich nicht, müssen wir ihn wieder etwas hungern lassen.

Diese Übungen können mit Gefühl immer wieder ein bißchen schwieriger gestaltet werden, bis der Hund letztendlich sich traut ein Futterbröckchen aus dem Staubsaugerrohr zu lecken. Selbstverständlich ist dieser dabei ausgeschaltet.


Zu beachten ist immer, daß mit einem nächst schwierigerem Übungsschritt erst dann begonnen wird, wenn der vorherige für den Hund absolut nicht mehr Angst auslösend ist. War man zu schnell, wird wieder auf den vorherigen zurück gegangen, bis dies sitzt.

Der Hundefüher sollte sich bei diesen Übungen möglichst aus allem heraus halten. Es geht darum, daß der Hund selber mit den Situationen fertig wird. Nur so kann seine Selbständigkeit und sein Selbstbewußtsein gefördert werden. Wir selber stellen lediglich die Situationen, alles andere bleibt dem Hund überlassen. Das bedeutet auch, daß wir weder körperlich als auch mit unserer Stimme auf den Hund einwirken. Uns geht das alles nichts an. Es gibt hier absolut nicht was Angst auslöst und genau das verkaufen wir dem Hund, indem wir als Vorbild darauf überhaupt nicht reagieren. Friss oder stirb – übertrieben ausgedrückt. Und keine Angst jeder Hund wird irgendwann fressen.

Vorausgesetzt wir haben die Nerven dazu, ruhig und konsequent so lange weiter zu machen, bis der erwünschte Ziel erreicht ist. Brechen wir allerdings zu früh ab, wird dies immer eine Verstärkung der vorherigen Angst bewirken. Dieser Weg muß zu Ende gegangen werden, damit nicht noch eine Verschlimmerung bewirkt wird.

Nun mag dies so aussehen als würden wir gefühllos mit unserem Hund umgehen. Man sollte jedoch bedenken, daß Ängste sich nicht von allein lösen, sondern sich im Laufe der Zeit verstärken. Angst bedeutet gleichzeitig einen andauernden Stresszustand über sehr lange Zeit. Durch unser bewußtes Angehen des Problems, wird diese Angst letztendlich vom Hund selbständig bewältigt. Die daran anschließende Zeit wird für ihn stressfreier.


In Anlehnung an die zuvor beschriebene Situation soll nun auf ein weiteres Problem eingegangen werden, der Schußangst.

Nicht nur bei Suchhunden, bei denen ein ruhiges Reagieren auf optische und akustische Reize absolut notwendig ist, ist die Schußsicherheit wichtig, sondern auch bei anderen Hunde. Schußsicherheit ist hier nur als Beispiel für akustische Reize genannt. Im gleichen Themenbereich finden sich Ängste vor Knallern, Fehlzündungen, etc. Gerade diese Ängste führen bei Hunden oft zu panikartigen Reaktionen, in denen das Verhalten des Hundes nicht mehr berechenbar ist und oft zu einer Gefährdung des Hundes oder seiner Umwelt führt. Obwohl diese Angstreaktionen sehr stark ausgeprägt sind können auch diese wieder ins Lot gebracht werden. Jeder schußunsichere Hund kann auch wieder schußsicher werden.

Im Prinzip wird hierbei genauso vorgegangen wie zuvor beschrieben. Von dem Versuch dies mit systematischer Desensibilisierung erreichen zu wollen sei abgeraten. Zwar ist dies ein sehr effektive Methode, setzt jedoch einen entsprechend erfahrenen Hundeführer voraus. Das Gegenteil ist jedoch in der Regel der Fall. Gerade bei dieser Methode wird zu früh bei der Umausbildung abgebrochen, was zu einer extremen Verschlechterung führt.

Versuchen wir es also wieder wie zuvor. Voraussetzung, daß es so funktionieren kann, ist daß dem Hund zu allererst verständlich gemacht wird, was den lauten Knall auslöst.

In der Regel wird die Pistole hinter dem Rücken versteckt und dann geschossen. Dies führt in den meisten Fällen dazu, daß der Hund bereits auf die Armbewegung mit Angst reagiert. Wird das Schußtraining auf Hundeplätze mit den gewohnten Übungsablauf geübt, kann es sogar dazu kommen daß der Hund nicht mehr abliegen will wenn der zweite Hund auf den Platz kommt, mit dem der Knall verbunden wurde.

Jetzt wird das Ganze so aufgebaut, daß der Hund sieht woher der Knall kommt. Wir nehmen also die Pistole, zeigen sie dem Hund und geben direkt vor seinem Kopf einen Schuß ab, ohne ihn dabei zu gefährden. Gleich drauf werfen wir die gesicherte Pistole ein kleines Stück weg und reagieren ansonsten in aller Ruhe ohne den Hund zu beruhigen. Hat der Hund sich ein wenig beruhigt versuchen wir ihn zur Pistole zu locken und mit dieser als ein Ersatz für ein Stöckchen ein Spiel aufzubauen. Mit einer an der Pistolebefestigten Schnur läßt sich eine sich vom Hund weg bewegende Beute simulieren. Wichtig in dieser Phase ist es den Hund soweit zu bringen, daß er sich traut sich der Pistole zu nähern und möglichst daran zu riechen. Traut er sich sogar damit zu spielen, haben wir den größten Ausbildungsschritt bereits erreicht. Wenn der Hund sich traut die Pistole ins Maul zu nehmen, können wir davon ausgehen, daß die Schußangst erledigt ist.

Unsere Aufgabe bei diesem Aufbau ist es ein Gefühl dafür zu entwickeln, wieviele Schüsse wir dem Hund zumuten können, ohne das dies Panik auslöst. Gleichzeitig müssen wir beim anschließenden Spiel so mit Gefühl vorgehen, das der Spieltrieb / Beutetrieb stärker von uns aktiviert wird als der Meidetrieb beim Hund vorhanden ist. Selbstverständlich läßt die Übung sich auch so wie beim Staubsauger aufbauen, oft langt jedoch schon ein gezielter Aufbau Richtung Spiel.


Bei der Ausbildung unserer Suchhunde werden wir immer wieder vor Situationen stehen, bei denen wir darauf achten müssen die Selbständigkeit des Hundes zu fördern, anstatt schnell einen anderweitigen Übungserfolg zu haben. Gerade in Trümmern kommt auch der bestausgebildeste Hund noch in Situationen in denen er sich überwinden muß. Hier sollten wir ihm die notwendige Zeit dafür lassen und notfalls auf das eigentliche Übungsziel einmal verzichten. Für den Bereich Anzeige sei auf das entsprechende Kapitel verwiesen.

 

 

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